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Oper und Hitzschlag
9.7.12. Montag. Gestern war es richtig heiß. Wer in der Stadt blieb, suchte Schatten und kalte Getränke.
An solchen Tagen heizt sich die Münchner Staatsoper wie ein Backofen auf. Die Konzentration auf die Musik wird gelähmt durch Atemnot und ständige Fluchtreflexe.
Trotzdem liefen gestern ab 15.00 Uhr an der großen Freitreppe des Nationaltheaters Menschen mit selbstgemalten Pappschildern herum, "Suche Karte". Viele Herren hatten sich von ihrem schwarzen Sakko befreit. Sie trugen die wärmende Jacke ungenutzt über dem Arm, hatten sie aber trotzdem mitgebracht. Akademische Kreise, Elite vom Feinsten.
Zu den Festspielen zahlt man gesalzene Preise, bis zu 193 Euro pro Nase. Doch das hielt niemand ab, dabei zu sein. Die Scheune war genauso ausverkauft wie in Bayreuth und die Garderobe herausragend. Die teuren Sachen müssen beim Schaulaufen einfach gezeigt werden. Im Schrank sieht es niemand.
Eine Dame fragte ich, "Warum gehen Sie bei der Hitze in die Oper?" Sie lachte freundlich, überlegte, aber eine Antwort fiel ihr nicht ein. Denn es gab keine. Man kann die kurze Szene auf der Freitreppe sehen, in dem nachstehenden Filmausschnitt.
Was ihnen allen bevorstand: Nur zwei Pausen zum Vorzeigen der teuren Abendroben und zum Verbreiten von Tratsch. Dafür stundenlanges Stillsitzen, von 16.00 bis 23.00 Uhr: Wagners blechgepanzerte "Götterdämmerung", über fünf Stunden lang, bei geschlossenen Türen, keine Fenster.
Nur ein paar Meter weiter lachte die erfrischende Gegenwelt. Ein klassisches Konzert unter freiem Himmel am Odeonsplatz, wo es im Schatten recht angenehm war und die historischen Prachtbauten einen passenden Rahmen schufen. Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks traten in voller Besetzung auf.
Andris Nelsons, der in Bayreuth seit zwei Jahren, trotz gruseliger Inszenierung, den Lohengrin-
Die Solisten Kristine Opolais und Joseph Calleja schmetterten temperamentvoll in die Mikrofone, deren kraftschonende Unterstützung die Opernhäuser ablehnen, obwohl viele herausragende Stimmen damit noch länger überleben könnten.
Der Gesang schallte bis zum anderen Ende des weiten Platzes, und die Goldkehlen hatten keine Mühe, lautstark eine temperamentvolle Stimmung anzufeuern.
Bei der beschwingten öffentlichen Probe nachmittags sangen und spielten alle locker drauflos und trugen dazu luftige Freizeitklamotten, doch ab 20.15 Uhr bei der Fernsehübertragung dominierte steife, schwerfällige Festkleidung. Ein nervender Moderator langweilte, dazu alberne Großaufnahmen des Dirigenten. Wegen drohender Regenschauer, die gar nicht eintrafen, wurde das Programm gekürzt und auf die Pause verzichtet. Auch das elementare Temperament der Sänger wirkte abends gedämpft, und der am Mischpult erzeugte Ton klang aus den Heimlautsprechern weniger differenziert als das, was man unter freiem Himmel hörte.
Außerdem kann kein Fernsehgerät die sommerliche Leichtigkeit wiedergeben, mit der die Spaziergänger nachmittags vorbeiliefen, andächtig lauschten und verschwanden wie sie wollten.
Davon sieht man hier bewegte Bilder, Impressionen, ein paar Augenblicke nur: